Hallo,
nachdem ich eine gute Portion Honigmilch intus habe, kann es nun weiter gehen mit der Geschichte... hoffentlich geht alles gut aus! Die arme Magica... ah, da ist ja die Stelle, wo ich gestern aufgehört habe:
"Sieh an, sieh an... eine Bärchenhexe! Scheint heute nicht Dein Tag zu sein..." Die Stimme war spöttisch, aber nicht unfreundlich, sie klang voll und tief und gleichzeitig, als ob unzählige zarte Silberglöckchen leise klingelten. Ein prächtiges Einhorn trat aus dem Unterholz und sah auf die Hexe herab. Obwohl sie vor Schmerz völlig benebelt war, fiel Magica doch auf, dass sie noch nie zuvor ein solches Einhorn gesehen hatte. Sein Horn und seine Hufe waren aus Gold und sein perlmuttfarbenes Fell schimmerte silbern und bläulich.
Magica zwang sich zu einer Antwort. "Nein, ích hatte in der Tat schon bessere Tage... Ich habe mich böse verletzt - kannst Du mir helfen?" Der Einhorn-Hengst senkte den Kopf und sah ihr direkt in die Augen. "Natürlich kann ich Dir helfen - aber warum sollte ich?! Wir wissen doch beide, was Deinesgleichen mit Meinesgleichen anstellen. Oder bist Du etwa eine Hexe, die in ihrer Hexenküche ohne Einhornpulver auskommt?" Magica senkte schuldbewusst den Kopf. Er hatte recht, Einhornpulver war für die meisten relevanten Zaubertränke eine unverzichtbare Zutat und dementsprechend teuer und begehrt - und das Jagen und Töten von Einhörnern durchaus lukrativ. "Ich kann das nicht abstreiten" sagte sie leise. "Aber ich gebe Dir mein Wort, dass ich Dir kein Leid zufügen werde - und vielleicht kann ich mich irgendwie bei Dir revanchieren, wenn Du mir hilfst." Das Einhorn schnaubte leise. "Keine Sorge, ich kann gar nicht anders, als Dir zu helfen. Halt still."
Magica, die gedacht hatte, er könne ihr irgendwie beim Aufstehen behilflich sein oder vielleicht ihren Zauberstab für sie finden, staunte nicht schlecht, als das Einhorn sie sanft mit seinem goldenen Horn berührte. Es war warm wie die Sommersonne auf dem Fell und gleichzeitig frisch und prickelnd wie der erste Frost - und im gleichen Moment spürte sie, dass alle Schmerzen von ihr wichen, ihre Wunden heilten und ihr Bein gerade und heil war wie vor dem Sturz. Magica war sehr bewandert und belesen in Magie und Hexerei, aber die magischen Heilkräfte des Einhorns waren stärker und größer als alles, was sie kannte oder wovon sie je gelesen hatte. "Das ist unglaublich!" rief sie aus. "Ich wusste nicht, dass Einhörner über solche Heilkräfte verfügen, wenn sie... äh..." Sie brach verlegen ab, aber das Einhorn beendete den Satz für sie. "Wenn sie am Leben sind, meinst Du... nun, ich bin kein gewöhnliches Einhorn. Man nennt mich Oberon, ich bin der Leithengst meiner Herde. Und mit wem habe ich das Vergnügen?" - "Ich bin Magica de Spell. Ich lebe mit meinem Onkel und vielen Freunden hier ganz in der Nähe in einem Hexenturm. Wie kommst Du in unsere Gegend?"
Ein Schatten von Traurigkeit legte sich über das schöne Antlitz des Einhorns, als es antwortete. "Ich suche ein neues Zuhause für meine Herde - einen Ort, an dem wir endlich sicher sind und in Ruhe leben können, ohne Angst vor Einhornjägern. Wir leben zur Zeit zusammen mit einigen Elfen, aber abgesehen davon, dass die Jäger uns immer näher auf die Fersen kommen - Elfen können ganz schön nerven. Immer das Getue und Getanze - und dauernd versuchen sie, einem Blumen in die Mähne zu flechten..." Er schnaubte verächtlich. Magica musste lachen. "Bei mir leben auch drei Elfen. Aber es sind Waldelfen, und die sind schon glücklich, wenn sie nur draußen im Garten sind. Vier Meerjungfrauen leben auch bei mir, die können allerdings den ganzen Tag damit verbringen, sich die Haare zu kämmen - ich verstehe also, was Du meinst." Das Einhorn staunte. "Die leben alle bei Dir? Dein Turm muss ja riesig sein!" Magica grinste. "Nee, klein und eng, und der Garten ist auch winzig. Schrumpfzauber - meine Spezialität. Der Verzauberte kann sich jederzeit selbst wieder auf seine eigentliche Größe bringen - und wieder winzig machen, wenn der Platz nicht ausreicht. Es braucht nur etwas Vertrauen..." Sie sah das Einhorn an, und es erwiderte den Blick. "Machst Du mir etwa gerade ein Angebot?" - "Ja, warum denn eigentlich nicht. Bei mir auf dem Gelände seid ihr in Sicherheit, und nervende Elfen gibt's auch nicht. Ein paar freche Babydrachen, aber die tun nichts. Wie groß ist denn Deine Herde überhaupt?"
Oberons Stimme klang feierlich, als er antwortete. "Wir sind acht, und wir müssen acht sein, denn wir bringen der Welt die Farben. Drei Hengste in Gelb, Rot und Blau - drei Stuten in Violett, Grün und Orange - und dazu das Weiß von Oberon und das Schwarz von Titania - wenn wir über den Himmel galoppieren, zeichnen wir den Regenbogen." Magica staunte. "Ihr seid die Regenbogeneinhörner? Ich dachte, das wäre nur ein Märchen, das man kleinen Hexen und Zauberlehrlingen vor dem Zubettgehen erzählt." Sie biss sich verlegen auf die Unterlippe. Hoffentlich hatte sie ihn jetzt nicht beleidigt? Aber Oberon schmunzelte. "Genau so ein Märchen wie Bärchenhexen, die im Garten Elfen, Meerjungfrauen und Babydrachen beherbergen... wir sind so real wie Du! Und ich würde mir gerne Deinen Garten einmal ansehen. Wer weiß, vielleicht können wir bei Dir tatsächlich ein neues Zuhause finden... ich weiß nicht, warum, aber irgendwie vertraue ich Dir. Ich glaube nicht, dass Du mich in eine Falle locken willst, um mir erst den Kopf und dann das Horn abzuschlagen... Hol Deinen Zauberstab und dann steig' auf meinen Rücken."
Magica murmelte den Findezauber und hielt unmittelbar ihren Zauberstab in der Pfote. Sie erklomm den Rücken von Oberon und erzählte ihm dabei, in welcher Richtung sich ihr Turm befand. "Halt Dich nur gut an meiner Mähne fest. Und genieß' den Augenblick - es kommt nicht oft vor, dass ich jemanden auf mir reiten lasse... und eine Hexe schon gar nicht." Und mit diesen Worten preschte er los, schneller als der Wind. Magica hatte Mühe, sich auf seinem Rücken zu halten - nur gut, dass sie an wilde Ritte auf dem Hexenbesen gewöhnt war!
EPILOG
Seit dieser schicksalshaften Begegnung im Zauberwald leben die Regenbogeneinhörner tatsächlich im Garten des Hexenturms, im Schatten des mächtigen Eulenbaumes.
Sie genießen das saftige Gras und die Ruhe und Sicherheit auf dem Gelände - nur dann und wann, ab und zu, wenn sich irgendwo ein Gewitter zusammenbraut, dann nehmen sie ihre richtige Gestalt und Größe an und stürmen über den Himmel in Regenbogenformation, flankiert von Weiß und Schwarz - und bringen wieder aufs Neue die Farben in die Welt.
Puuh... also mal ehrlich, dieses Märchenbuch hat es in sich... das nimmt immer irgendwie verrückte und unvorhergesehene Wendungen. Und ich dachte immer, ein Regenbogen hat was mit der Brechung des Lichts zu tun... Aber zum Glück ist alles gut ausgegangen, das ist die Hauptsache. Magicas Verletzungen sind geheilt und die Regenbogeneinhörner haben ein neues Zuhause. Da können wir das Buch ja beruhigt zuklappen und beiseite packen. *zwinker*
Liebe Grüße
Euer Märchenonkel Flutterby
Pssssssst... ganz unter uns... kamen Euch die Einhörner auf dem letzten Bild nicht auch irgendwie bekannt vor? *grins* Verblüffende Ähnlichkeit mit den
Preiser-Pferden, die Agent Flutterby vor kurzem beschäftigt haben, meint Ihr nicht auch? *kicher* Aber eines weiß ich sicher - der große Oberon heißt wirklich so, und ist eine Original-Edition in Porzellan von
Breyer nach einem Entwurf von
Kathleen Moody... auch wenn ich mich heute als Märchenonkel betätigt habe, Agent Flutterby hält trotzdem Augen und Ohren offen! ;O)